Back to the roots
19.04.2017
Im Café einer Künstlerbedarfhandlung in Köln
Dieser #Schreibort ist mir quasi vor die Füße gefallen – ungeplant und ganz spontan. Da ich nie das Haus ohne Schreibbuch und Stift verlasse, steht meiner Entscheidung nichts im Weg. So lasse ich mich in dem Café, das einer Künstlerbedarfhandlung angegliedert ist, nieder und schreibe. Der Ort mit den kreativen Impulsen zwingt mich förmlich dazu, mich dort auf dem Papier auszutoben und meinen Assoziationen hinzugeben.
Schon als ich von der Straße abbiege und mit dem Auto auf das ehemalige Gelände einer Fabrik (so sieht es jedenfalls aus) vorbei an einem Pförtnerhäuschen aus den 50er Jahren fahre, nimmt mich die Atmosphäre des Ortes gefangen. Hier handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Ladenlokal, sondern um einen Ort der Inspiration, denke ich, stelle das Auto ab und betrete das Gebäude. Vorbei an unendlich vielen Farben aller Couleur, Pinseln und anderen Malerutensilien erreiche ich überraschenderweise eine große Kunstbuchabteilung, tauche mal hier in ein Buch ein, mal dort. Plötzlich liegt es vor mir: das Café!
Ich nehme Platz in dem großen lichtdurchfluteten Raum auf einem Holzstuhl. Der Himmel zeigt sich hier in all seinen Schattierungen von hellblau bis wolkenverhangen, er hat unverkennbar seine eigene Farbpalette. Die Tischplatte vor mir ist schwarz und besteht aus einem undefinierbaren Kunststoffmaterial, sie fühlt sich angenehm kühl an. Beim Schreiben sind nicht nur Stift und Papier entscheidend, sondern auch das Verhältnis Stuhl zu Tisch und die Tischbeschaffenheit selber, befinde ich, während der #Stift fast von alleine seine Kreise zieht.
Vom Nachbartisch her vernehme ich englische Sprachfetzen, gepaart mit einer mir fremden Sprache. Das ist es, was ich am Schreiben in Cafés so liebe – die Sprache scheint dort besonders intensiv durch die Luft zu sirren, suche ich nach einem Satzanfang, brauche ich nur einmal kurz mein Ohr zu spitzen, schon ist er da.
Der weiße Königspudel hinter mir ist frisch geschoren und spitzt ebenfalls die Ohren. Ob er auch englisch versteht? Das übrige Publikum ist entweder angeregt in ein Gespräch vertieft oder schaut still vor sich hin – so, als ob er oder sie gerade ein Projekt konzipieren würde. „Jeder hat hier een Projekt zu loofen, det is wichtig,“ hat mal ein Berliner zu mir gesagt, das Gleiche scheint für Köln zu gelten. Projekte geben dem Leben einen Sinn, sind kleine Zwischenziele, die wir uns stecken, damit uns die Lebensetappe nicht allzu lang erscheint.
Das Schreiben an einem solchen Ort ist jedenfalls eine große Freude. Hier sprudeln die Ideen, ich möchte gar nicht mehr aufhören. Ich denke an Rodins Atelier in Paris, in dem er sich mit Clara Westhoff und Rilke traf, an die Worpsweder Künstlerkolonie, den frühen Tod Paulas, an Picasso, Klee, Renoir, den Louvre, die alten Meister, springe zu den Uffizien nach Florenz und Botticelli, schaue kurz bei Michelangelos David vorbei und kann meinen Geist kaum bremsen, soviel Bilder bietet er mir an. Zu guter Letzt lande ich bei den indigenen Völkern #Australiens, die ihren Künstlerbedarf noch aus der Natur bezogen haben, indem sie Sandstein verrieben und mit Spucke vermischten. Im Nu bin ich also in Gedanken bei meinen Wurzeln und habe dabei mehr als genug #Schreibinspirationen aufgesammelt. Hierhin werde ich bestimmt zurückkehren.
9 Kommentare
Liebe Hedda,
deine Worte sprühen vor Leben und Inspiration! Wie gern hätte ich solch einen Schreibort in meiner Heimatstadt, lichtdurchflutet und voller Farben…
lg. mo…
Ja, liebe mo, den hätte ich hier auch gerne …..
Aber wir können ihn uns ja schreiben, das ist ist das Gute daran.
Liebe Grüße und Danke
Hedda
Liebe Hedda,
die Farbenpracht hat alle deine Sinne angeregt – das ist im Text deutlich spürbar. Wie du nicht nur die Farbe, sondern auch die Oberflächenbeschaffenheit des Tischs beschreibst und auch die Geräusche (Sprachen) in dein Ohr fließen. Auch das Schreiben mit einem Stift ist eine viel sinnlichere Erfahrung, als das Tippen auf der Tastatur.
Und ich finde wie du, dass die verschiedenen Kunstsparten (Malerei, Bildhauerei, Musik und natürlich Literatur) sich gegenseitig befruchten – und nicht zu vergessen die Natur, die so oft Vorbild und Quelle für den kreativen Ausdruck ist. Da reichen auch schon Spucke und Sandsteinpulver aus.
Herzliche Grüße
Ulrike
Liebe Hedda,
ich liebe auch diese Geschäfte mit dem Künstlerbedarf. Da ist immer ein besonderer Geruch drin, den habe ich sofort wieder in der Nase, während ich Deinen Beitrag lese, auch wenn Du im Café sitzt und es dort eher nach Kaffee riecht. Ich kann mich dann an den Farbpaletten nicht satt sehen. Selber mit diesen Farben malend oder zeichnend umgehen kann ich nicht. Aber es ist einfach schon ein sinnliches Vergnügen die Schattierungen einer einzigen Farbe von ganz hell bis ganz dunkel in sich aufzunehmen.
Liebe Grüße
Anne
Liebe Anne,
dem kann ich nur beipflichten. Das sinnliche Erleben spiegelt sich dann auch in der Sprache und den Ideen an einem solchen Ort wieder, an dem die Inspirationen nur so sprudeln.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda
So. Jetzt habe ich mich registriert und kann hier kommentieren. Ich sehe Dich im Café sitzen und Künstlerluft atmen. Schön, wie Du schreibst, dass dort die Sprache durch die Luft sirrt. Ich nehme mal an, Du hast mit Stift geschrieben?
Herzlich, Urs
Lieber Urs,
schön, dass du zu mir gefunden hast. Ich gehöre tatsächlich noch zu den Menschen, die sehr gerne mit Stift auf Papier schreiben. Beides habe ich immer dabei, ich weiß ja nie, was mir begegnet.
Im Schreiben mit meinem Stift-denn es darf keinesfalls irgendeiner sein- kann ich mich ganz anders mit den Worten verbinden und im wahrsten Sinne des Wortes schwingen,die Tastatur ist im Vergleich dazu doch recht technisch und kühl.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
dieses Pförtnerhäuschen, die „Büdchen“, wie es auch im angrenzenden Ruhrpott liebevoll heißt, zählen zu meinen Lieblingsstellen, die zu Tag und Nachzeiten geöffnet haben und in denen immer jemand ist, der erzählen kann und möchte, so, als würde da jeden Tag für einen Moment die Zeit stehenbleiben …
Du merkst, ein teil von mir ist gedanklich da hängengeblieben, während der andere dich sofort begleitet und bei diesem Satz wieder voll bei und mit dir am Tisch sitzt:
„Das ist es, was ich am Schreiben in Cafés so liebe – die Sprache scheint dort besonders intensiv durch die Luft zu sirren, suche ich nach einem Satzanfang, brauche ich nur einmal kurz mein Ohr zu spitzen, schon ist er da.“
Ja, er setzt dich zu dir, strahlt dich an, der Satzanfang und dann kommt alles wie von selbst,
danke dir dafür, für so einen schönen Anfang und ein entspanntes „Rausfallen aus der Zeit“ …,
liebe Grüße,
Sabine
Sabine
Liebe Sabine,
auch ich liebe die Büdchen, sie sind abgesehen von den menschlichen Begegnungen, die dort möglich sind, ein wahres Füllhorn zum Entwerfen von Figuren. Danke, dass du wieder ein Stück mit mir gereist bist .
Alles Liebe
Hedda