Wer Schmetterlinge lachen hört
14.04.2017, im #Garten der Schmetterlinge in Bendorf-Sayn
Falterflügelleicht kommen mir die Worte von überall entgegen in diesen exotisch anmutenden Glashäusern voller Üppigkeit. Zu meinen Füßen pickt und scharrt eine Wachtel in der Erde, über meinem Kopf flattern bunte Flügel in schillernden Farben und Formen.
Leider bezieht sich die Üppigkeit nicht nur auf Flora und Fauna, sondern auch auf die Menschenmenge, die an diesem Karfreitag offenbar ausgerückt ist, um ihr persönliches Nah- oder Fernzielparadies zu suchen. Das stört meine Schreibhingabe deutlich. Dennoch muss ich an Hesses Schmetterlingsgedicht denken, ich schweife ab in die Welt der Poesie. Nonsense-poetry kommt mir in den Sinn.
Wenn Schmetterlinge Lieder schmettern
und -linge in den Blüten bleiben,
begegnen sie den eignen Vettern,
die fröhlich durch die Lüfte treiben.
Mir ist nach Wortschöpfungen und -neubildungen zumute, falterfroh und farbensinnig, nach Zartgezwitscher junger Wachteln und nektartrunkenen Gedanken. Unbewusst strecke ich die Hand aus, damit sich ein blauer Morphofalter darauf niederlassen kann. Er indes fliegt weiter, ich sehe es ihm nach, denn das permanente Stimmengewirr verhindert jedes Pausengefühl.
Vor mir plätschert ein künstlich angelegter Wasserfall zwischen Lavasteinen und grüner Vegetation. Er sorgt für die nötige Luftfeuchtigkeit in den Schmetterlingsräumen und trägt zur Urlaubsstimmung bei. Drei Schmetterlinge spielen nachfliegen, es geht ihnen um die Freude am Tun, so scheint es mir, und nicht darum, wer als erster auf irgendeinem der Bananenstückchen landet, die hier überall verteilt liegen. Konkurrenz unter Schmetterlingen ist zumindest nicht auf den ersten Blick erkennbar, begreife ich.
Über mir hängt kopfunter ein schwarz getüpfelter Flügler an einem engmaschigen Netz, das sich über die gesamte Schmetterlingswelt erstreckt. Rote Flaschenputzerblüten mit gelben Pünktchen an der Spitze ragen aus dem Busch heraus wie kleine Satellitensonden und erinnern mich an down-under. Eine Bananenstaude räkelt sich mir zur linken, ein Färberfrosch sitzt eingesperrt und träge in einem Glaskasten mir zur rechten, ein orangefarbener Schmetterling trinkt sich an einer Blüte satt, es gibt Aufruhr in der Wachtelkolonie und ich staune ob der lauten Töne, die diese kleinen Vögel ausstoßen – von wegen Zartgezwitscher. Dazwischen sorgen Orchideenblüten, Farne, Strelitzien und mit Stroh bedeckte Schaukästen in weiß für Südsee-Feeling in Bendorf-Sayn, einer Stadt, in deren Historie es zahlreiche Großpsychiatrien gab (in einer davon lebte #Jakob van Hoddis, der von dort aus deportiert wurde), in der fast 2000 Jahre lang Eisenerz verarbeitet wurde und in die Herr Krupp seine Mitarbeiter zur Erholung schickte.
Der schwäbische Dialekt einer Passantin holt mich zurück in die Wirklichkeit. Wie laut Menschen sind, wenn sie als Kohorte auftreten. Wie gerne säße ich hier mal ganz alleine mit den Schmetterlingen, vielleicht könnte ich dann eher ihr Lachen hören…
Das Schreiben in exotischen Gefilden fällt mir leicht, es ist als wehte trotz der warmen Temperaturen ein laues Lüftchen durch mein Buchstabengewimmel, als schüttelte und rüttelte es die Reihenfolge sanft durcheinander, damit sich die Silben wieder neu und ungewohnt sortieren können
zu Falterglück und Flügelpracht,
die blütenhungrig sich betrinkt
und ohne Schwere unbedacht
das Lied der Leichtigkeit besingt.
11 Kommentare
Also der Titel weckt soviel Neugier, dass man den Eintrag auf jeden Fall anklickt. Dann ist man mit Dir im Paradies, wo nur der Mensch stört, wie so oft, leider.
Ein anregender Einblick in diese Schmetterlingswelt, ich spüre Dich im Text wieder ganz gut vor Ort sitzen.
Herzlich, Urs
Lieber Urs,
vielen Dank für deine Rückmeldung. Vielleicht können wir ja alle mal gemeinsam eine Schreibreise durch verschiedene Orte unternehmen, in der Uckermark habe ich übrigens gesehen, gibt es auch einen Schmetterlingsgarten (http://anneliwest.de/artikel/schmetterlingsgarten-hochzeitslocation-in-der-uckermark). Ich sehe uns schon dort sitzen, 25 Studenten*innen auf die Wiese getupft im Kurzgeschichtenrausch. Wo findet man das schon?
Viele Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
auch dieses Mal war es wieder ein besonderes, sinnliches Erlebnis mit dir zwischen all den Blumen, Schmetterlingen, Wachteln und menschlichen Besuchern zu sitzen und die Schönheit und Vielfalt des Ortes zu genießen. Ja, man merkt förmlich, wie deine Worte ihre Schwingen ausbreiten und uns „falterfroh und farbensinnig“ (einfach wunderschöne Wortschöpfungen 🙂 ) entgegenfliegen… Beschwingte und geflügelte Worte… Wie schön sie schillern.
Sind Schmetterlinge wirklich selten geworden? Ich habe dieses Jahr schon einige gesehen & letztes Jahr ist sogar mal ein Pfauenauge vorübergehend bei mir eingezogen. 😀
Liebe Grüße
Mo…
Liebe Mo,
ja, leider sind Schmetterlinge seltener geworden, was wohl unter anderem mit den Monokulturen zusammenhängt. Mir selbst ist das auch schon aufgefallen, noch vor zehn Jahren flügelten deutlich mehr dieser beschwingten Artgenossen durch mein Leben. Rate mal, woher ich gerade komme ? Aus dem Schmetterlingspark, ich habe ihn entdeckt als Ort zum Schreiben und zum Entspannen. Was so eine Übung für das Studium alles anstoßen kann ….
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Ulrike,
nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten bekomme ich mehr und mehr Freude am verlinken bestimmter Begriffe, um die Atmosphäre eines Beitrages zu unterstreichen. Das Video über den Morphofalter fand ich auch wunderschön.
Vielen Dank für deine Begleitung durch die Welt der tanzenden Flügel, ich habe dich sehr gerne mitgenommen.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
du hast mich direkt hinweg schweben lassen in die unbeschwerte Welt der Schmetterlinge, mit all ihren Farben und Düften, ihren herrlichen Mustern und ihrem Flatterspiel. Das Plätschern des kleinen Wasserfalls konnte ich hören – auch wenn in die schöne Stimmung zwischendurch auch mal ein lauter Schwabendialekt eingebrochen ist.
Dass die vielen Sinneseindrücke auch deine Buchstaben zum tanzen gebracht haben, kann ich mir gut vorstellen.
Danke auch für die schönen Links – das Video zum Lachen der Schmetterlinge finde ich wunderbar meditativ in seiner Langsamkeit und Farbenpracht.
Und „Blauer Schmetterling“ von Hermann Hesse macht mich hoffnungsvoll und wehmütig zugleich.
Vielen Dank für diese wunderbare Reise auf Schmetterlingsflügeln.
Herzliche Grüße
Ulrike
Liebe Fe,
vielen Dank für deine Rückmeldungen. Ich gehe gerne an verschiedene Orte zum Schreiben, es ist fast so, als suchte ich mir meinen Ort aus wie andere ihre Musik. Überrascht bin ich bei meinem Experiment, wie sehr sich der Ort auf die Sprache und mein Denken in dem Moment auswirkt und wie häufig sich die Erinnerungen an ein Gedicht oder einen bekannten Text fast unmerklich in meine Gedanken einschleichen. So, als hätten die Autoren selber an ähnlichen Orten geschrieben.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
hier bin ich — dank Annes/Amy´s und deiner Anleitung habe ich es geschafft!
Was mir als erstes auf- und gefällt ist, dass die Orte, die du dir aussuchst, alle solche sind, die mir nie in den Sinn kämen. Weder als Schreiborte noch für einen Ausflug oder einen Künstlerinnentreff. So lädst du mich mit deinen Ausflügen auch dazu ein, die Welt wieder anders zu sehen, ebendas zu sehen, was sich mir oft verschließt, weil es außerhalb meiner gewohnten Wahrnehmung liegt. Die Sinnlichkeit, mit der du zwischen Schmetterlingen und Wachteln wandelst, überträgt sich auf mich. Und das Hessegedicht, das sich geschmeidig zwischen deine Worte fügt, kannte ich auch nicht!
Danke für diese Anregungen 🙂
Fe
Liebe Anne, liebe Sabine,
vielen Dank für eure Kommentare. Ja, Anne, auch ich bedaure es sehr, dass sich dei Schmetterlinge so rar machen. Als ich neulich am Rhein einen Bläuling traf, habe ich richtig innerlich jubiliert.
Und Sabine, einfach sitzen, lauschen und der flatternden Leichtigkeit nachhängen, diese Idee gefällt mir auch.
Euch ein frohes Osterfest und liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
komm, lass uns die Menschen für einen Moment verscheuchen, geh in der Nacht dorthin, wenn die Menschen schlafen und eine andere Stille dazu kommt:
„Der wird im Mondschein
ungestört von Furcht
die Nacht entdecken.“
Das Lachen der Schmetterlinge, die Leichtigkeit, der Klang und immer wieder die andere Stille,
bin gerne da bei dir, in deinen Zeilen, ganz still und lauschend,
Sabine
Liebe Hedda,
wie immer ein wundervoll poetischer Text, der einen sofort mitnimmt in die bunte exotische Welt der Schmetterlinge. Dabei fällt mir auf, dass wir bei der Wanderung am letzten Sonntag ganz verzückt vor einem Pfauenauge stehen geblieben sind und gestern auf meinem Balkon sich ein weißer Schmetterling (gibt es jetzt schon Kohlweißlinge) verirrt hat. Schmetterlinge im Alltag sind rar geworden. Ich kann sie mir wunderbar als Schreibanregung vorstellen. Sie sind bunt, ein bisschen feenhaft und flattern wie Gedanken umher. Manche davon kann man dann mit einem Stift zu Papier bringen. Danke für den bunten Tupfer an dem doch sonst eher melancholisch gestimmten Karfreitag mit Passionsmusik rauf und runter im Radio.
Liebe Grüße und frohe Ostern
Anne