Der siebte Monat
04.08.2017, Gretchens Garten, Urbar
Ein Dampfer fährt gerade tuckernd an meinem Schreibplatz vorbei. Es stürmt trotz Sonne, sagt man nicht eher, es windet in dieser Jahreszeit? Dunkle Wolken türmen sich im Westen auf und verkünden nichts Gutes.
Dieses Mal habe ich mich zum Schreiben in ein klassisches Ausflugslokal am Rhein zurückgezogen. Gibt es den Begriff Ausflugslokal überhaupt noch oder ist er antiquiert? Hier, wo mich lediglich eine niedrige Natursteinmauer und ein Fahrradweg vom Rhein trennen, habe ich mich niedergelassen, um Erinnerungen nachzuhängen. Biographisch möchte ich genau hier schreiben, an Tischen unter alten Kastanienbäumen. Wie die Impressionisten, die die Welt in Tupfen zerlegen, suche ich nach Fragmenten eines Lebens, die ich irgendwann zu einem Bild zusammenfügen möchte.
Der Blick auf den Fluss hilft dabei. Er zieht hier in einer gemächlichen Linkskurve von dannen und ich überlege, ob ich ihm noch einmal eine Flaschenpost mitgeben sollte. Das Lokal ist zu dieser Zeit noch nicht so stark gefüllt, um die Tische sind Stühle gruppiert, es scheint fast, als unterhielten sie sich stumm miteinander. In einem rechteckigen Übertopf wiegt sich ein Bambus neueren Datums, wie lange die Kastanien hier schon stehen, vermag ich nicht zu sagen.
Das Hauptgebäude besteht aus einem ehemaligen Bahnhofsgebäude, man muss entweder die Gleise mit Hilfe einer schmalen Brücke mit dem Auto oder zu Fuß überqueren, um hier hin zu kommen oder dem Rheinverlauf mit dem Rad folgen. Kaum sichtbar von der Straße betrete ich hier ein Idyll aus alten Tagen. Vielleicht deshalb der Begriff Ausflugslokal.
Mir fällt das Gedicht „Ich bin der Juli“ von Paul Dehmel ein und ich gebe mich dieser trägen Sommerstimmung hin. Der siebte Monat im Jahr eignet sich zum absichtslosen Treiben lassen, das spüre ich heute ganz deutlich. Ich beobachte die Möwen wie sie sich in die Luftwirbel über dem Fluss hineinfallen lassen, ein Tanz mit dem Element Wind. Meine Gedanken folgen den Bewegungen und ich staune, wohin sie mich führen.
Sommererinnerungen – Spaziergänge durch Felder, hier und da ein roter Mohntupfen, staubige Wege, über denen Lerchen hoch in den Lüften stehen, eine Flaumfeder am Wegrand, Maispflanzen in Reih und Glied und der Duft nahender Erntefeste. Abkühlung in Waldseen, der Sommerwind im Gesicht beim Fahrradfahren, Freiheit, Leichtigkeit und Unbeschwertsein, wahrscheinlich deshalb der Bezug zur Kindheit. Ich packe bedächtig meinen Stift und mein Buch ein und ziehe mich an diesem Ort noch ein wenig zurück in meine inneren Räume.
8 Kommentare
Liebe Hedda
das Drahtherz im Lavendel zieht mich in seinen Bann. Gern säße ich jetzt dort und lauschte dem Wind in den Bäumen, dem leisen Plätschern der Wellen. Es klirrten hinter mir die Löffel auf den Untertassen und die Gabeln auf den Kuchentellern. Das Bild, das Du mit Deinen Wort malst atmet Ruhe und Besinnlichkeit. Wer war es gleich, der zum Augenblick gesagt hat: „Verweile doch, Du bist so schön“? Manchmal das Leben ein bisschen festhalten, das wäre schön.
Liebe Grüße
Anne
Liebe Anne,
ja, ich glaube, dass wünschen sich viele Menschen, den Augenblick festhalten zu können, doch liegt nicht gerade in dem Flüchtigen die Kostbarkeit?
Momente mit dem Augen fotografieren zu können und sie dann in meinem abzulegen, das habe ich mir als Kind gewünscht, heute gelingt es mir gelegentlich ..
alles Liebe und vielen Dank für deine Eindrücke.
Hedda
Ach liebe Hedda,
mir wird eher schwer als leicht ums Herz, wenn ich deine Impressionen und Gedanken lese. Liegt es daran, dass der wunderbare Juli schon vorbei ist und mich draußen ein kühl-feuchter August anspuckt?
Ich freu mich aber, dass der Ausflug dich zum Erinnern und Schreiben animiert hat, in diesen schreibschwierigen Zeiten. Oder sind die etwa auch vorbei, wie der Juli?
Ich schick die herzliche Grüße rund 72 Kilometer den Rhein hoch (du müsstest so bei Rheinkilometer 593, 594 gesessen haben?), Amy
Liebe Amy,
so ganz blockiert bin ich nicht mehr, Gott sei Dank, ich würde aber sagen, ich betrete schreibholpriges Gebiet. Dabei gebe ich mir die allergrößte Mühe, mich aus dem Stocken herauszuwinden, aber anscheinend brauche ich noch Geduld.
Ich grüße dich rheinaufwärts ( das ist doc richtig so, oder? ) von Herzen und freue mich, dass wir auch blogtechnisch verbunden sind.
alles Liebe
Hedda
Liebe Hedda,
ich habe mich leise zu dir gesetzt, habe mit dir den Flußlauf beobachtet, die Flaschenpost in Gedanken geschrieben und dann treiben lassen, wie den Tag und seine Zeit, mir Fragmente eines Lebens angeschaut, sie an den Flußrand gelegt, dem siebten Monat sein Gedicht vorgelesen, einen Kaffee gtrunken und zum Schluss nach innen getaucht …
Danke für den Moment Ruhe und EinKehr am Wasser,
liebe Grüße,
Mia
Liebe Mia,
und ich habe deine Gesellschaft im siebten Monat genossen. Dieser Ort lädt einfach zu einer Sommer-ich-bleib-für-immer-bei-dir-Stimmung ein.
Der Kaffee war mit Sicherheit lecker und bei der Betrachtung der Puzzelsteine meines Lebens ist mir einiges klarer geworden.
sommerliche Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
vielen Dank für diesen Text, der wie eine warme Sommerbrise meine Gedanken zum Träumen mitnimmt. Ich möchte mit dem Juli zusammen unter dem Lindenbaum sitzen und den Lerchen zusehen, wie sie über goldene Kornfelder schweben.
Und auf den leeren Stühlen an den Tischen nehmen Geister aus alter Zeit Platz und lachen bei einem Glas Wein im Schatten, das Blätterdach verwandeln sich in Pinselstriche und Tupfer der Vergangenheit scheinen durch.
Herzliche Grüße
Ulrike
Liebe Ulrike,
leider bin ich so gar keine Malerin, sonst hätte ich meine Staffelei mit Sicherheit genau dort hingestellt und mich vom Treiben der Wolken mit meinem Pinsel führen lassen.
Mit dem Juli und euch sitze ich zu gerne an einem Fluss und schreibe…
alles Liebe und danke für deine Worte..
Hedda