Eine Seefahrt, die ist lustig
Sie ist wieder da! Das erste Mal in meinem Leben hat jemand meine Flaschenpost gefunden und mir geschrieben, meine australische Freundin würde jetzt sagen: „ I am doing the happy dance!“
Sechs Kerle aus Eich am See haben sie gefunden – bei Rheinkilometer 605. Sie waren mit dem Kanu unterwegs vom Eicher See bei Worms (der See mit den schönsten Sonnenaufgängen Deutschlands) 230 km stromabwärts bis nach Köln. Und das Ganze in nur vier Tagen.
Wer von ihnen die Flasche genau gefunden hat und wie sie es bis ans gegenüberliegende Rheinufer geschafft hat (denn der Fundort liegt ganz in der Nähe von der Eisenbahnbrücke, von wo aus ich sie ins Wasser geworfen habe), weiß ich nicht, aber ich habe so meine Phantasien dazu:
Zuerst landete sie in Düsseldorf. Katharina und Kai waren gerade bei ihrem Sonntagnachmittag Spaziergang, als ihnen der rote Zettel in der Plastikflasche auffiel. Sie hatten aber keine Lust, die Flasche zu öffnen, denn sie waren in einem Krisengespräch vertieft. Katharina hatte seit Neuestem die Idee, nach Potsdam zu ziehen. Nachdem sie mit ihrer besten Freundin Dörte dort gewesen war, ließ sie sich auch nicht mehr von ihrem Vorhaben abbringen. Sie hatte sich in diese Stadt verliebt, in die Seen, die klassizistischen Gebäude und das holländische Viertel, das sie an die Sommerurlaube mit ihrer Familie in Amsterdam erinnerte. Damals war für K. die Welt noch in Ordnung, die Eltern besaßen die alte Nähfabrik der Urgroßeltern, das Geld floss unaufhörlich, die Familie konnte sich dreimal im Jahr einen ausgiebigen Urlaub leisten und genoss in vollen Zügen die Feste in ihrem park ähnlichem Garten. Lange Holztische, eingedeckt mit weißem Leinen und üppigen Freilandrosen in Glasvasen warteten unter den knorrigen Eichen auf die Gäste. Katharina liebte diese Atmosphäre von Landlust gepaart mit Sommerleichtigkeit.
Dann kam die Insolvenz und damit der Bruch der Familie. Die Mutter hielt den sozialen Abstieg nicht aus und verliebte sich neu, in einen Bierbrauer aus Köln. Die beiden zogen Hals über Kopf zusammen, Katharina blieb bei ihrem Vater zurück, dem sich die Traurigkeit täglich mehr in sein Gesicht schrieb. Die Villa nebst Anwesen mussten verkauft werden, die beiden Zurückgelassenen fanden schließlich eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau am Rande der Stadt Bonn, von dort aus startete Katharina unmittelbar nach der allgemeinen Hochschulreife ihre Karriere als Kostümschneiderin an der Kölner Oper.
Kai konnte Katharinas Sehnsucht nach Potsdam überhaupt nicht nachvollziehen, diesen Teil ihrer Familiengeschichte hatte sie ihm nämlich vorenthalten, sie schämte sich zu sehr dafür. Nun war sie jedoch fest entschlossen, sich das Lebensgefühl aus ihrer Kindheit zurückzuholen und mit Dörte einen Stoffladen in Potsdam zu eröffnen. Ein Risiko zwar, aber ohne Risiko kam sie nicht weiter in ihrem Leben, das hatte sie begriffen. So hob Katharina die Flaschenpost achtlos auf und schmiss sie mit neuem Schwung zurück ins Wasser. Auf in das Abenteuer!
Einige Wochen später in Rotterdam: Rick van Dorp stand am Rheinufer und dachte über den Sinn des Lebens nach als sein Blick auf den roten Zettel in der Flasche fiel. Ein Wink des Schicksals? Rick glaubte an Fügung und öffnete mit zittrigen Händen die Flasche. Vielleicht steckte darin die Antwort auf seine Fragen? Doch in dem Plastik steckte nur meine Homepage- Adresse mit einem knappen Verweis auf den Blog und der Bitte, dass sich der Finder bei mir melden möchte. Dazu hatte Rick keine Lust. Er glaubte fest daran, dass ihn diese Flasche zu seiner lang ersehnten großen Liebe führen würde, packte sie in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg nach Neuwied, dem Ursprungsort dieser verheißungsvollen Botschaft. Kurz vor Weißenthurm streikte sein alter beiger VW Käfer, Baujahr 1984, das einzige Fahrzeug, das er je besessen hatte. Er hatte es ausschließlich seinem Großvater zu verdanken, der an ihn glaubte und ihm sein Liebstes, eben jenen Käfer, vermacht hatte.
Als er am Straßenrand auf den Abschleppdienst wartete, hielt plötzlich ein kleiner schwarzer Mini Cooper hinter ihm. „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“ Der junge Mann lächelte ihn fragend an. Irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck erinnerte ihn an irgendjemanden, doch weder für das eine noch für das andere hatte er eine Idee.
„Vielen Dank, nein, der Abschleppdienst ist bereits informiert“ Ricks Deutschkenntnisse, die er sich während seines Soziologiestudiums in Aachen erworben hatte, kamen ihm immer wieder zu passe. Rasch entwickelte sich zwischen den beiden Männern ein Gespräch. Als die gelben Engel der Straße nach einer Stunde kamen, um den Käfer abzuschleppen, saß Rick bereits hochvergnügt auf dem Beifahrersitz des schwarzen Mini, die Flaschenpost fest in seiner Hand und wild entschlossen, diese Begegnung bis zur letzten Minute auszukosten…
Und genau an dieser Stelle frage ich euch Leser*innen – wie geht es weiter mit Rick und dem jungen Mann? Die beiden stehen mit ihrem schwarzen Mini in Höhe von Rheinkilometer 605 in Weißenthurm vor dem Beginn einer fraglichen Freundschaft, Liebe, was auch immer? Wieso hat Rick diese kostbare Fracht losgelassen? Hat ihn etwas erschreckt, kam ihm etwas in die Quere? Was ist passiert an jenem legendären 20. Juli 2017, am Abend bevor die sechs Männer vom Eicher See hier auftauchten und meine Botschaft fanden?
Ich bin sehr gespannt auf eure Antworten…
Sonnenaufgang am Eicher See (Quelle Bild und Zeichnung: Peter Wenke)
5 Comments
Liebe Hedda,
wie toll, dass du eine Antwort auf deine Flaschenpost erhalten hast, und dann auch noch von 6 Kanufahrern – das ist so abenteuerlich.
Aber die Flasche hat auf ihrem Weg ja schon einige Begegnungen gehabt. Katharina – die lieber ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt und für geheimnisvolle Flaschenbotschaften keine Verwendung hat und dann Rick, der auf der Suche nach der großen Liebe und einem schicksalhaften Hinweis ist und sich fast ängstlich an der Flasche festklammert.
…als der Mann im schwarzen Mini Cooper ihm die Hand zum Abschied hinhält, spürt Rick plötzlich, dass die Flaschenpost ihn schon an sein Ziel geführt hat. Und vielleicht kichert Großvater gerade im Himmel, dass sein treuer Käfer genau im richtigen Moment stehen geblieben ist.
Die Flaschenpost soll noch andere Menschen zu ihrem Glück führen. Rick wirft die Flasche in die säuselnden Strom und ergreift die Hand seines Gegenüber.
„Ich heiße übrigens Rick“, sagt er. „Und du?“
Herzliche Grüße
Ulrike
[…]
Bis zur letzten Minute auskosten, jeden verfluchten neuen Moment. So war es schon immer und noch mehr seit dem Tag, an dem sein Großvate gerstorben war. Der einzige Mensch in seinem Leben, dem er alles anvertrauen konnte, seine Liebe zu Frauen und Männern, seine Passion, das Schreiben, seine besondere Fähigkeit, die Gefühle der Menschen zu schmecken und sein Leben, in dem er auf der Suche nach der ganz großen Liebe war.
An all das musste er denken, als Bernd mal kurz telefonieren musste und Nick mit der Flaschenpost alleine im Auto zurückblieb, ihm war gar nicht aufgefallen, wie verkrampft er die Flasche festgehalten hatte, wie sehr er an ihr hing, bzw. an dem, was sie für ihn bdeutete. Eine Möglichkeit, ihn, seine große Liebe zu finden, auch wenn da auf dem Zettel nur eine Adresse stand.
„Vielleicht ist sie noch nicht am Ziel!“, sagte Bernd hinter ihm.
Nick schaute auf und erkannte in seinem Gesicht das, was er vorhin nur vage wiedererkannt hatte, ein vages Gefühl und jetzt, jetzt schmeckte er ihn, den Geschmack der ersten Tasse Kaffee am frühen Morgen, wenn er die Fenster in seiner Dachwohnung öffnete, den Morgen und seine möglichkeiten schmeckte, den ersten Schluck Kaffee trank und dan an den Schreibtisch ging, um die ersten unverbrauchten, frischen Worte aufs Papier zu schreiben.
„Komm, lass uns die Flasche mit zum Essen nehmen, zu dem ich dich einlade und dann schicken wir sie weiter auf ihre Reise, was meinst du?“
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Liebe Hedda,
tolle Idee und danke fürs Weiterschreiben können,
viele Grüße,
Mia
Liebe Anne,
genau so könnte es gewesen sein .. Vielen Dank für das Weiterschreiben der Geschichte, ich bin auf die anderen Fortsetzungen gespannt. Und sag mal, können wir nicht auch eine Blogparade als Fortsetzungsroman schreiben? Kollaboratives Schreiben im Blog – wäre das nichts?
Liebe Grüße und einen entspannten Abend mit neuen Schreibideen..
Hedda
Liebe Hedda,
das habe ich gestern auch schon gedacht, dass wir eine Fortsetzungsgeschichte als Blogparade schreiben. Das fände ich total spannend. Aber ich habe ein wenig Zweifel, ob wir das alle so neben den alltäglichen Anforderungen hinkriegen. Es bedürfte ja einer gewissen Disziplin in der Einhaltung der Reihenfolge und auch im Liefern von Texten. Aber es wäre ja schon nett, wenn wir es zu dritt, zu viert, zu fünft machen würden. Ich fände es toll.
Liebe Grüße
Anne
Liebe Hedda,
da muss ich ja jetzt noch denken, um der Geschichte einen Schluss zu geben…..Also gut: Rick und der nette junge Mann fahren erst mal mit in die Autowerkstatt und Rick nimmt ein wenig wehmütig Abschied von seinem Auto. Dann beschließen sie erst einmal was essen zu gehen und setzen sich auf die Rheinterassen des Gasthofs zur Linde in Weißenthurm. Die von den vielen Touristen genervte Kellnerin bringt ihnen lustlos die Speiskarte und achtet dabei nicht auf die neben dem Tisch abgestellte Flaschenpost. Sie stößt mit dem Fuß versehentlich dagegen und die Flasch kippt um. Sie kullert einfach in den Rhein. Rick ist erst traurig, aber als der schöne junge Mann ihm klarmacht, dass die Flaschenpost für sie doch den Zweck erfüllt hat, da kann Rick ihr mit einem Lächeln nachsehen…..
Liebe Grüße
Anne