I need help
Herr M. lebte in einer alten Blockhütte mitten auf einer Lichtung in einem dichten Tannenwald. Hierhin hatte er sich vor ca. zwanzig Jahren zurückgezogen – genau hatte er die Zeit nicht mehr im Blick, es können auch zweiundzwanzig Jahre gewesen sein. Seine Jahre unterteilten sich in Winter, Frühling, Sommer und Herbst, gelegentlich bereitete es ihm Schwierigkeiten, die einzelnen Jahreszeiten auseinander zu halten. Irgendwie änderte sich das Wetter in den letzten Jahren, er beobachtete das anhand der Blumen, die deutlich mit ihrer Blühreihenfolge durcheinandergekommen waren. Das brachte auch ihn durcheinander.
Es gab keinen erkennbaren Grund, warum Herr M. sich in die Einsamkeit zurückgezogen hatte. Er war verheiratet, hatte ein gutes Auskommen, die beiden Kinder waren wohlgeraten – alles in allem schien das Leben von Herrn M. einem durchschnittlichen Lebenslauf zu entsprechen. Morgens aß er seine Schale Müsli ohne Haselnüsse und mit Rosinen aufgeweicht in einer halben Tasse Vollmilch (Herr M. legte großen Wert auf Vollmilch, die halbfette Milch schwäche ihn, davon war er überzeugt) und las dabei die Tageszeitung, abends servierte ihm seine Gattin ein lauwarmes Bier (kalte Getränke fand er ebenfalls nicht bekömmlich) und eine Scheibe Graubrot mit einem Hauch von Butter und einer Scheibe Emmentaler. Zur Nacht legte er seine Socken feinsäuberlich gefaltet auf seine Bügelfaltenhose über den Korbstuhl, zog seinen rotweiß – karierten Schlafanzug an, legte sich auf die brettharte Matratze und drehte sich nach einem „Gute Nacht“ zur Ehefrau auf die linke Seite.
Eines Mittags war er plötzlich verschwunden, der Herr M., mitsamt seiner Müsli – Schale, seinem rotweiß karierten Pyjama und den Socken. Anscheinend hatte er sich einen Essvorrat mitgenommen, denn zwei l Vollmilch fehlten ebenso wie zwei Packungen Müsli, zwei Packungen Graubrot, zwei Packungen Emmentaler und zwei Flaschen Bier. Auf die Butter konnte er offensichtlich verzichten.
Jahre später fand man ihn in besagter Blockhütte auf einer Lichtung, die seit Jahren kein Mensch mehr betreten hatte. Sein Klingelschild bestand aus einem pink angestrichenen Stein mit einem Klingelknopf, auf dem geschrieben stand: „I need help “, denn Herr M. stammte aus Queens, New York City / Amerika.
4 Kommentare
Liebe Hedda,
raus aus der Großstadt, rein in die Natur. Zeichnet sich da etwa ein Sehnsuchts-Muster ab?
Blöd nur, dass in der Natur keiner Englisch spricht… Und was ich mich frage: Soll man klingeln, weil man selbst Hilfe braucht oder weil Herr M. Hilfe braucht und man helfen will? Hm. Ein vermaledaites Rätsel in Pink. Und wusste Herr M., dass sich das farblich mit seinem Rot-karrierten Pyjama sticht? 😉 😀
lg. mo…
Liebe Mo,
ehrlich gesagt hat sich Herr M. nichts bei der Farbe gedacht. Pink – das war der Topf, der drei Töpfe hinter dem Blau, einen Topf neben dem Grün und unter einem schwarzen Regal stand und genau diesen Punkt hatte sich Herr M. am frühen Morgen um 6.21 Uhr ( er selber kennt zwar die Zeit nicht mehr, aber ich habe das beobachtet) in mühevoller Kleinarbeit errechnet und heraus kam : Pink !
Sowas passiert manchmal im Leben.
alles Liebe
Hedda
Liebe Hedda,
ich mag die Erzählstimme dieses Textes und ich mag Herrn M., besonders seine gefalteten Socken und den rot-weiß-karierten Schalfanzug …
Ich würde ihn gerne noch näher kennenlernen und herausfinden, warum das so passiert ist.
Ach ja, das Schild mag ich ganz besonders! 😉
Liebe Grüße,
Mia
Liebe Mia,
ich habe einen link eingebaut, um das Rätsel ein bisschen zu lüften, aber wie wäre es, wenn du die Geschichte ein bisschen weiterschreiben würdest? Genau dafür sind diese Blog-Beiträge gedacht – let´s write together!
Liebe Grüße
Hedda