Schreiben zu zweit
09.06.2017 Freitagmorgen bei U.
Es ist Freitag. Freitag ist mein #Schreibtag, in aller Frühe mache ich mich auf den Weg zu meiner Freundin U., bei der wir zu zweit schreiben. An einem geräumigen Holzschreibtisch. Sie sitzt mir gegenüber und erledigt Unerledigtes der Woche, ich schreibe, was mir in den Sinn kommt. Ab und zu machen wir eine kleine Pause in dem angrenzenden Garten, auf den ich durch die bodentiefen Fenster schaue, wenn ich meinen Kopf nach links drehe. Mitten in der Stadt eine grüne Oase, was will ich mehr. Das ist #Inspiration pur.
Es ist still, ab und zu höre ich ihren Stift auf dem Papier kratzen, manchmal führt sie ein Telefonat, sehr selten klingelt es an der Tür. Hier habe ich mein Familienbuch geschrieben, Gedichte sortiert, Konzepte ausgearbeitet – eben alles, was mir in den Sinn kommt.
Wie schafft ihr das zu zweit zu schreiben? Schnattert ihr nicht die ganze Zeit, seid ihr nicht durch die andere zu sehr abgelenkt? Das sind die häufigsten Fragen, die wir gestellt bekommen, wenn wir von unserer kleinen #Schreibgemeinschaft berichten, die jetzt seit sechs Jahren besteht.
Wir schwingen miteinander, das ist wohl das Geheimnis, lassen uns gegenseitig Raum. Wenn die eine hängt, wenn die Ideen ausgehen oder Formulierungen sich im Kreise drehen, hilft der Blick auf die andere Seite des Schreibtisches oder in den Garten. Es hilft, einmal durchs Grün zu schreiten, vorbei an dem winzigen Teich hin zu dem sonnengelben Jugendstil- Pavillon, die Morgenluft einzuatmen, dann wieder das leise klackediklack der gegenüberliegenden Tastatur zu vernehmen, ich bin nicht alleine. Auch die andere hängt manchmal, auch ihre Sätze verhaken sich gelegentlich, das tröstet und entlastet.
Wie ein eingespieltes Ehepaar verbringen wir die Freitagvormittage miteinander und wenn sie einmal ausfallen müssen, fehlt uns beiden etwas. An anderen Tagen sehen wir uns nicht. Wir treffen uns, um zu schreiben, zu denken, zu entwickeln, zu einer festgelegten Zeit – um 12.30 Uhr ist Schluss, dann gehen wir beide unserer Wege, immer in der Gewissheit, der nächste Freitag kommt wieder.
Wenn ich zu Hause schreibe, ist die Gefahr der Ablenkung deutlich größer. Irgendwo wartet garantiert ein Wäscheberg auf mich, die Pflanzen im Garten wollen vom Überwuchern gerettet oder ein Einkauf müsste dringend erledigt werden. Hier hinter den starken Mauern eines alten Stadthauses bin ich geschützt vor Anforderungen jeglicher Couleur. Hierhin kann ich mich verkriechen und auf das konzentrieren, was mir wichtig ist – das Schreiben.
Gerade höre ich sie seufzen, ich hebe meinen Kopf, wir lächeln uns an. Wie schön, heute ist Freitag – und wenigstens darauf ist Verlass in meinem Leben.
14 Comments
Liebe Hedda,
Wahnsinn – ich darf nun endlich auch…
Diese Schreibzeit zu zweit, die hat etwas ganz Besonderes. Sie ist eine Flucht aus dem Alltag, die ihr offenbar beide genießt. Das hat etwas von einem Ritual – und ich liebe Rituale. Ich kann mir hervorragend vorstellen, wie das mit einer Person, mit der man schwingt, geht. Das muss so sein, sonst muss man sich dauernd rückversichern, ob es dem Anderen dabei noch gut geht.
Es scheint wirklich etwas für sich zu haben, dass man manchmal Dinge, von denen man meint, dass sie nur allein gut zu bewältigen sind, zu zweit besser schafft. Es ist ein Paradoxon, dass die eigene Ablenkung viel größer sein kann, als die vermeintliche durch jemand anderem. Trefft Ihr Euch immer nur bei der Freundin oder kam sie auch schon zu Dir?
Ich bin fasziniert und hätte auch gern so eine Schreibfreundin.
LG Gabriele
Liebe Gabriele,
in der Tat ist diese Schreibzeit ein fixes Ritual. Meine Freundin befasst sich mit ihren beruflichen Dingen – deshalb treffen wir uns immer bei ihr – und ich schreibe, wonach mir der Sinn steht. Und genauso funktioniert es.
Wie inspirierend gemeinsames Schreiben sein kann, sehe ich auch immer an der Schreibgruppe, in der manchmal Menschen sitzen, die lange nicht mehr geschrieben haben und dann durch die Texte der anderen beflügelt werden. Also ich kann jedem*r nur empfehlen, probiert es aus…
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar.
Hedda
Liebe Hedda,
zu diesem Thema wollte ich noch unbedingt schreiben! Danke für Deine schöne Erfahrung. Ich bin allein sehr oft unmotiviert für das Schreiben, kann mich schwer aufraffen, verschiebe es bis zur letzten Minute. Aber wenn ich mich zum Schreiben verabrede, klappt es viel besser. Die Mischung aus sozialer Kontrolle und sozialem Austausch wirkt Wunder bei mir. Ich verabrede mich immer wieder zum Schreiben, aber nicht so regelmäßig wie Du. Da muss ich noch jemanden finden… Ich habe auch schon überlegt, ob ich meine Wohnung für Co-Working (https://www.coworking.de/) zur Verfügung stelle.
Ich halte auch sonst viel vom gemeinsamen Schreiben: Im Juni kommt endlich unser Buch heraus: Zusammen schreibt man weniger allein (utb, Barbara Budrich). Ich bringe es zur nächsten Präsenz mit, wenn es bis dahin ausgeliefert ist.
Morgen bin ich zum Schreiben mit meiner Freundin Isa verabredet!
Auf ein Neues!
Liebe Grüße
Christiane
Liebe Christiane,
auf das Buch bin ich schon sehr gespannt, bitte bringe es unbedingt mit! Und den coworking link sehe ich mir gleich an – er klingt sehr interessant !
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
ach, so eine Schreibpartnerin hätte ich auch gerne! Die entspannte und vertrauensvolle Atmosphäre habe ich gut in deinem Text gespürt. Das Bild mit den Marzipan-Strand-Genießern finde ich köstlich!
Herzliche Grüße und bis morgen
Ulrike
Liebe Ulrike ,
die beiden auf dem Bild entsprechen genau unserer entspannten Stimmung, insbesondere in den kurzen Pausen im Garten, in dem uns ein gemauerter alter Jugendstil- Pavillon vor den Unbillen des deutschen Wetters bewahrt.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
welch schönes Konzept. Gemeinsam schreiben und doch jeder für sich. Das gefällt mir sehr. Auch das Ambiente klingt sehr beschaulich. Ein Ort zum Augen ausruhen und Gedanken schwingen lassen… großartig!
lg. mo…
Liebe mo,
lieber alleine oder lieber zu zweit oder lieber mit vielen schreiben – das frage ich mich oft. Das Bestechende an unserem Konzept ist die Regelmäßigkeit ( wenn es die Arbeit zulässt) und das wachsende Vertrauen in das Wort im Lassen der Anderen.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
erst war ich skeptisch: zu zweit schreiben? Wahrscheinlich wie all die anderen, die dich fragen, wie das denn gehen soll. Aber das Entscheidende steht wohl im vorletzten Absatz: da denkt man sich, dass andere einen ablenken; dabei braucht man die anderen dafür gar nicht — das kann man doch so gut selbst!
Jetzt muss ich nur für mich noch einen Weg finden, der ebenso gut funktioniert wie der deine.
Danke für diesen Denkanstoß!
Deine Fe.
Liebe Fe,
wie gesagt, ich glaube, das gemeinsame Schreiben funktioniert nicht mit allen Menschen… wenn die Chemie stimmt, dann ist es als flögen Gedanken und Bilder durch den Raum und vermehrten sich auf wundersame Weise, wenn sie neuen begegnen..
Liebe Grüße und berichte mir bitte mal, falls du in den Genuss einer Zweischreiberfahrung kommemn solltest.
Hedda
Liebe Hedda,
was für ein wunderschönes, gemeinsames Ritual, das ihr schon so lange schreibend lebt und zelebriert …
Wow! Ich verabrede mich auch zum Schreiben oder „werde mehr zum Schreiben verabredet“ (hihi!) aber das dann schreiben und nicht quatschen und reden, funktioniert nicht so gut, ABER die Inspiration aus genau diesen Verabredungen, die fließen dann wieder in mein Schreiben ein. Ich bin da wohl mehr eine Allein-Nachtschreiberin oder eine in Cafés-Schreiberin, spüre aber genau, was das gemeinsame Schreiben für eine gefühlte Kraft und doppelte und geteilte Schreibfreude beinhaltet, die in jeder Zeile deines Beitrags für mich spürbar ist.
Sehr schön, hast mir Lust darauf gemacht …:-)
Liebe Grüße,
Mia
Liebe Mia,
und genau das wollte ich tun – Lust auf das zu zweit schreiben machen. Wobei es da, wie im richtigen Leben, auf die Dosis ankommt. Meist schreibe ich ja alleine, aber diese Kontinuität, sich Freitags zusammenzusetzen, die bekommt dem Schreiben außerordentlich. Vielleicht liegt es auch daran, dass U. sich mit Gutachten oder Krankenkassenanfragen befasst, wohingegen ich das schreibe, wozu ich Lust habe…
Danke fürs Lesen und ….mit jedem Menschen könnte ich das sicher auch nicht, das kommt noch hinzu!
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
wie schön wenn man miteinander in dem schwingen kann, was einem so wichtig ist. Wie geht der Spruch? geteilte Freude ist doppelte Freude – glaube ich. Ich kenne das mit meiner Freundin Birte. Wenn wir mal wieder an unserem unendlichen Krimi schreiben, dann fahren wir manchmal für ein paar Tage ins Sauerland, um zusammen zu schreiben und genießen das total. Anfang Juli ist es mal wieder soweit.
Ich wünsche Dir noch viel gemeinsame Schreibzeit.
Liebe Grüße
Anne
Liebe Anne,
du kennst den Zauber des zu zweit Schreibens und ich spüre die Vorfreude auf den Juli aus deinen Zeilen. In den Wäldern des Sauerlandes sich mit seinen Silben zu verkriechen – das klingt nach einer richtig guten Idee! Lass uns gerne alle an den Texten teilhaben.
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar.
Hedda