Tagebuch einer Schreibenden
In meinen neuen Blogbeiträgen veröffentliche ich das autofiktionale Tagebuch einer Schreibenden, genannt „Die Geduldige“. Die Kursivtexte stammen aus der Interaktion mit meinen Kommilitonen*innen. So möchte ich zeigen, wie sich die Worte verschiedener Schreiber*innen ohne Zeit – und Raumgrenze spielerisch miteinander verweben können.
Montag, 19.08.2019, 19.23 Uhr an meinem Schreibtisch unter den Wolken
Es ist endlich wieder soweit. Ich schreibe. Auch, wenn ich zweifle und mir die Worte noch nicht wie zu meinen besten Zeiten aus den Fingern perlen, habe ich beschlossen, es wieder zu tun. Es einfach zu tun. Nicht darüber nachzudenken, sondern es einfach zu tun. Einer meiner Lehrer hat mir beigebracht „Das Talent eine(r)s Schreibenden sitzt im Hintern“. Daran habe ich mich heute früh erinnert und jetzt sitze ich hier. Zwinge mich an den Schreibtisch und lasse es nicht zu, dass mich die schwarzen Tasten von meinem Laptop dumpf anglotzen. Ich schreibe tapfer, Buchstabe nach Buchstabe, Silbe nach Silbe. Mein Tagebuch kann das aushalten, das weiß ich. Manchmal nenne ich es liebevoll „Die Geduldige“ – ja, ich bin sicher, dass mein Tagebuch weiblich und ganz bestimmt nicht sächlich ist. Sonst hieß sie nicht die Geduldige…
19.36 Uhr Ich habe soeben beschlossen, den Text erstmal an S. zu schicken. Sicher ist sicher. S. kennt sich aus, S. würde mir ehrlich sagen, wenn ich den Text in die Tonne treten könnte. Schließlich will ich „die Geduldige“ nicht über Gebühr beanspruchen. Bin gespannt auf ihr Urteil.
23.55 Uhr, abnehmender Mond in einer lauen Sommernacht
S. hat geantwortet. Ich liebe ihre Art mit Worten zu malen, zu lächeln, zu berühren. „Nie aufhören, immer wieder damit anzufangen!“, flüsterte sie bei weit geöffnetem Fenster in die beginnende Nacht, denn sie war sicher, dass ihr Tandem diese hören würde …
Montag, 26.08.2019, 6.50 Uhr
Es sind die Morgen – und die Abendstunden, die mich zum Schreiben einladen. Weil sie still sind und schweigen. In diese Stille hinein öffnen sich die Worte, kann ich ihnen lauschen und erste Zeilen einfangen. S. schreibt auch gerne nachts. Das verbindet uns und nicht nur das. An ihrer Antwort habe ich wieder gemerkt, dass manche Texte eine Rückmeldung brauchen. Sonst baumeln sie verloren von der Decke herab, wie Gehängte, und das stimmt mich traurig. Im Feedback setzen sich andere Worte zu meinen dazu, das macht sie so lebendig für mich. Eine neue Erkenntnis! Schreiben birgt so viele Geheimnisse…..
4 Kommentare
Liebe Ulrike,
das ist wohl das für mich Faszinierendste an der Digitalisierung, dass ich Worte in die Welt schicken kann, die sich mit anderen Worten verbinden, die sich wieder mit anderen Worten verbinden und so weiter und so fort… es ist als schwebte ein riesiges Wortnetz über und zwischen uns und immer noch frage ich mich – wie kann so etwas funktionieren?
Herzlichen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
es freut mich sehr, mal wieder einen neuen Beitrag auf deinem Blog zu lesen. So kommt nicht nur „die Geduldige“ in den Genuss deiner Wörter, sondern auch deine Schreibgefährtinnen. Wörter sind glaube ich echte Herdengeschöpfe und suchen die Verbindung zu ihresgleichen über den Blätterrand hinaus in dem weiten Kosmos der Wörterreigen aus unterschiedlichsten Federn und Tastaturen.
Herzliche Grüße
Ulrike
PS: Das Video mit der Schreibmaschinen-Symphonie ist genial. Habe ich noch nie zuvor gesehen. Danke!
Liebe Hedda, du Schreibende und mit den Worten Ringende,
ich habe jetzte ein neues Lesezeichen: Deine Beiträge auf deinem Blog.
Ich freue mich jetzt schon darauf und finde es als zutiefst seelenverbindend, wenn Texte eine Textantwort erhalten, denn dann bekommen sie ein Echo und eine noch viel größere Dimension als bereits zuvor.
Dein Echo,
Mia
Liebe Sabine,
genau um dieses Echo geht es, dass Texte verändert und weitet. Deshalb habe ich das Tagebuch auch als Blogreihe begonnen, damit nicht nur „Die Geduldige“ und ich in den Dialog treten, sondern sich der Kreis mit den Leser*innen in einen Polylog verwandelt. Wie durch Zauberhand.
alles Liebe und danke!!
Hedda