Up, up and away
27.04.2017, im Flughafen Köln- Bonn und im Flieger nach Berlin
In der Boardinghalle, in der ich auf den Abflug nach Berlin warte, steht ein Kicker, sechs Männer spielen leidenschaftlich um den Sieg, orange gegen blau. Sie haben sich ihrer Jackets entledigt und jubeln sich in die Freude der bevorstehenden Reise oder den Frust des Tages von der Seele – je nach Perspektive. Die übrigen Gäste hängen stumm in den Sitzen, jeder hat ein Handy vor der Nase. Das Flugzeug hat Verspätung, ich bin müde und es ist unklar, wann es weitergeht.
1h später: Boarding. Es ist der Moment, in dem ich durch die Schleuse auf das Flugzeug zulaufe, der mein Herz Purzelbäume schlagen lässt. Noch immer. Nach all den Flügen. Aus hundert Millionen Gerüchen würde ich diesen einen Geruch wiedererkennen, der mir aus dem Flugzeug entgegen schlägt, ein Gemisch aus Kerosin, Technik und umgewälzter Kälte. Das ist für mich der Geruch, der mich in ferne Länder führt, die Eintrittspforte zu den Wolken, up, up and away.
Ich sitze, der Kapitän macht die obligatorische Ansage in zwei Sprachen, gleich wird das Flugzeug langsam losrollen – den Blinklichtern der Startbahn entgegen. Über versteckte Düsen verteilt sich ein künstlicher Duft im Innenraum, vermutlich soll er Frische suggerieren, mir wird davon nur schlecht.
Der Flieger setzt sich in Bewegung. Ein Arzt ist an Bord, das fiel mir direkt auf, in Bundeswehr – Uniform mit Namensschild, also keine Gefahr eines Notfalleinsatzes für mich über den Wolken. Der Kollege wird’s richten. Die Lichter in der Innenkabine werden gelöscht, der Motor läuft sich warm, die Flugzeit beträgt 45 min., der Wind schiebt uns, Widerstände sind keine zu erwarten.
Die Lichter der Lande- und Startbahnen leuchten erst bunt, dann nur noch rot. Schilder weisen dem Piloten den Weg. Irgendetwas quietscht und erinnert an jämmerliches Katzengewimmer, ich frage mich kurz, ob Nikki Air mich wirklich sicher nach Berlin fliegen wird.
Es ist soweit. Ich liebe diesen Moment, in dem sich das Flugzeug vom Boden löst, in dem der Magen eine Etage tiefer sackt und mein Rücken gegen die Lehne gepresst wird. Auftakt zu Abenteuern, Ausbruch aus dem Alltag, ein letzter Blick auf das Rheinland, ich fliege…
Im Flugzeug zu schreiben bedeutet, sich zwischen zwei Punkten zu bewegen, dem Ort des Abfluges und dem Ort der Ankunft. Über den Wolken kann ich gut denken, habe ich Abstand zu dem, was auf der Erde passiert. Diese Distanz zu spüren im Schweben führt zu einer Leichtigkeit der #Sprache und macht das Flugzeug zu einem perfekten Schreibort – nicht nur für ein #Reisetagebuch.
10 Kommentare
Ach, liebe Hedda,
da bekomme ich sofort Lust, mal wieder zu fliegen und dort in der Schwebe dann auch mal Block und Stift auszupacken und zu sehen, wohin der Flug meine Gedanken trägt… Wird sich das Jauchzen bei einem Lufthuckel (so nenne ich diese Bauchkitzelmomene zwischendurch) im Schreiben zeigen? Werden meine Worte Flügel bekommen und einmal nicht fließen, sondern aufsteigen und in den Wolken ihre luftige Seite zeigen?
Lg. mo…
Ja, ich bin mir sicher, liebe mo, das werden sie. Wenn Turbulenzen auftreten, stockt natürlich auch kurz der Stift ,um sich danach wieder unbeschwert und frei zu fühlen.
Liebe Grüße
Hedda
Liebe Hedda,
wie schön, im Flug, beim Fliegen, über allem zu schreiben …
Du schreibst: „Auftakt zu Abenteuern, Ausbruch aus dem Alltag, ein letzter Blick auf das Rheinland, ich fliege…“ Auf und davon, „Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlso sein,“ fällt mir als Liedzeile von Reinhard Mey dazu sein.
Mit Abstand zwischen zwei Punkten zu schreiben, Abreise und Ankunft und dazwischen neue Zeilen und Wörter, die mit dir aufbrechen.
Gefällt mir sehr gut, diese Sicht „über den Dingen“ schreibend zu sein …
Danke für diesen Flug ins Abenteuer,
da fällt mir übrigens auch noch das fliegende Klassenzimmer von Erich Kästner ein,
liebe Grüße,
Sabine
Liebe Sabine,
natürlich habe ich auch Reinhard Meys Worte im Kopf, wenn es in die Lüfte geht, aber meist denke bzw singt alles in mir “ Up, up, and away „. Und rund um das Fliegen gibt es so viele tolle Geschichten, ich denke an den kleinen dicken Karlsson mit seinem Propeller oder an Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt.
Vielen Dank für deine Assoziationen, die mich weiter beflügeln.
Alles Liebe
Hedda
Liebe Hedda,
ich finde, du hast diese wechselhafte Stimmung auf dem Flughafen und im Flugzeug sehr dicht eingefangen – dieses zwischen zwei Welten sein, einerseits Routine (die längst bekannten Ansagen der Kabinencrew) und dann doch dieses Kribbeln (beim Abheben), es passiert etwas Außergewöhnliches, Grenzen werden aufgehoben. Der Flug als eine Zeit zum Innehalten, zwischen Abschied und Vorfreude.
Herzliche Grüße
Ulrike
Genau, liebe Ulrike, der Flug als Zeit zwischen Abschied und Vorfreude.
Was mich beim Fliegen noch besonders beeindruckt, ist die hohe Geschwindigkeit, mit der ich von A nach B katapultiert werde, ohne dass meien Seele eine Chance hat, in der gleichen Geschwindigkeit nachzufolgen. Je größer die Distanzen sind, desto schwieriger wird es dann.
Als Ort, um Reisetagebücher zu verfassen, eignet sich der Ort über den Wolken perfekt.
Liebe Grüße und danke.
Hedda
Liebe Hedda,
gern würde ich das als Anlass nehmen, die Fliegerei auch wieder so positiv zu sehen wie du. Ich bin in meinem Leben erst mit über 20 zum ersten Mal geflogen. Damals fand ich das so aufregend. So beflügelnd, im wahrsten Sinne des Wortes. So erhebend. Ja, auch inspirierend. Aber inzwischen zieht sich bei mir alles zusammen, wenn ich nur höre, dass ich fliegen soll/muss. Die Unvoreingenommenheit und das Abenteuergefühl sind mir wohl für immer abhanden gekommen: Zu viele Überseeflüge mit (Klein)Kindern, zu viele Sicherheits-, Zoll-, Passkontrollen, zuviel Gepiepse, Gerausche, Gedränge, zu viele, zu lange Schlangen. Zu viele Sorgen. Inzwischen sogar manchmal: zuviel Angst.
Eine Ausnahme möchte ich machen: Als ich deinen letzten Eintrag gelesen und mir dann das Australienvideo angesehen habe, habe ich solches Fernweh bekommen, dass ich mich am liebsten sofort auf die Reise gemacht hätte. Ja, für ein solches, großes, neues Erlebnis würde ich sogar gern das Fliegen in Kauf nehmen.
Herzlich,
deine Fe.
Liebe Fe,
ja, das Australienvideo hat mir auch Herzschmerz bereitet – wie Bilder einen doch gefangen nehmen können. Ich wünsche dir, dass das Befreiende und Erhebende im Fluge wieder zu dir zurückkehrt, aber ich sehe natürlich auch die Kehrseiten vom ökologischen Fußabdruck ganz abgesehen..
Herzliche Grüße
Hedda
Liebe Anne,
der Arzt trug eine Bundeswehr-Uniform und war als Gast an Board…Aber ich kenne ja diese Ansage: „Ist ein Arzt an Board“ und er sah so aus, als würde er sich sofort melden. Sehr beruhigend.
Ich bin jedenfalls zwar mit heftiger Verspätung ( so konnte ich noch ein bisschen den Schreibort auskosten;) ), aber gut gelandet.
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen Kommentar.
Hedda
Liebe Hedda,
das Präsenzwochenende hat Dich im wahrsten Sinne des Wortes zu weiteren Schreibreisen beflügelt. Die Schilderung Deiner sinnlichen Eindrücke, vor allem wie Du den unnachahmlichen Geruch beschreibst, nehmen mich mit auf den Flughafen und lassen mich auch mit abheben. Mich hätte es allerdings eher nachdenklich gemacht, dass die automatisch einen Arzt mit an Bord haben und dann noch mit Namensschild. Braucht man den bei der Fluggesellschaft häufiger? Andererseits: Betreutes Fliegen wäre ja vielleicht sogar was für mich.
Liebe Grüße
Anne